Category: Im Spiegel des Zorns

Kapitel 8 – Wildes Blut


Am nächsten Morgen war Lauriel früh wach.
Tief in seinen Arm geschmiegt, hatte sie etwas Schlaf gefunden und die dunklen Bilder in ihren Gedanken für eine Weile fortgeschoben.
Nun stand die Sonne bereits leuchtend am Himmel und erfüllte die Oase mit dem Duft aufgehender Blüten und reifender Früchte.
Er war erwacht, als sie versuchte, sich aus seiner Umarmung zu schleichen, um ein einfaches Frühstück zuzubereiten und lächelnd hatte er sie dabei beobachtet bis er aufstand um zu ihr zu gehen und ihr zu helfen.
Schließlich sattelten sie die Pferde und packten ihre Habseligkeiten zusammen.
Alkanas schnallte seinen Speer mit der schimmernd grünen Spitze aus Drachenglas am Sattel fest und Lauriel dachte einmal mehr erleichtert daran, dass es eine weise Entscheidung war, ihren Speer nicht mit nach Osarien zu nehmen.
Als sie schließlich aufbrechen wollten, griff Alkanas nach ihr, um ihr in den Sattel zu helfen.
Lauriel lachte laut, tauchte unter seinem Arm weg und sprang in den Sattel, wie sie es gewohnt war. Er musterte sie einen Moment lang mit einem Schmunzeln auf den Lippen und stieg dann ebenfalls auf sein Pferd.
Langsam ritten sie aus der Oase hinaus und in die Wüste, die Pferde nebeneinander und die Hände ineinander verschlungen.
Doch dann löste er seine Berührung und sah sie an.
„Ich reite vor, Shadia. Ich muss noch etwas erledigen. Wir treffen uns am Abend am Südtor.“ Ehe Lauriel etwas erwidern konnte, zwinkerte er ihr noch einmal zu und preschte mit einem mal in Richtung Al’Bajaar davon.
Sie sah ihm nach und fühlte einen ungewohnten Schmerz.
Zu sehen, wie er langsam auf den Horizont zuritt und schließlich ganz verschwand, erinnerte sie schmerzlich daran, dass ihre gemeinsamen Tage hier nicht andauern würden. Sie dachte an den Abschied und allein der Gedanke daran, war nur schwer zu ertragen.
Sie wand sich um und blickte zur Oase zurück. Wehmütig wurde ihr bewusst, dass sie diesen Ort bald für immer verlassen würden und mit einem Mal fragte sie sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, mit ihm in die Stadt zu reiten.
Was, wenn jemand sie dort bei ihrem Namen oder einem ihrer Titel nannte, den auch er kannte? Was, wenn sie nie wieder in die Oase zurückkehren würden?
Doch dann musste sie lächeln.
Al’Bajaar war eine Stadt wie keine andere.
Alles war dort möglich und alles war käuflich, selbst Dinge, die es gar nicht geben sollte. Sie kannte die Stadt, besser als mancher Einwohner sie kannte und wusste, worauf man zu achten hatte. Dies bedeutete aber auch, dass viele dort wussten, wer sie war. Das hatte sie nicht bedacht, als sie das Fest vorgeschlagen hatte.
Langsam ließ sie sich von ihrem Pferd gleiten und begann in ihren Taschen zu wühlen.
Schließlich zog sie ein Gewand aus cremefarbener Seide heraus. Es war über und über mit Gold und Edelsteinen bestickt und glitzerte im Sonnenlicht.
Sie hatte das Kleid als Geschenk bekommen, als sie in Al’Bajaar gewesen war und eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, es jemals zu tragen, da ihr einfache Kleidung, in der sie gut reiten und kämpfen konnte, lieber war. Doch für den vor ihr liegenden Anlass, schien es genau das richtige zu sein. Schmunzelnd wechselte sie ihre Kleidung, legte die kostbare Seide an und zog einen Tiegel mit Farbe und einen winzigen Spiegel aus der anderen Tasche.
Dunkel umrahmte sie ihre Augen und nickte schließlich zufrieden. Zuletzt legte sie einen Schleier über ihr Haar und schließlich auch über ihr Gesicht, so dass nur ihre Augen sichtbar waren. In Al’Bajaar war es durchaus Brauch, dass die Frauen ihr Gesicht verschleierten, nur dass sie sich an diesen Brauch nie gehalten hatte, was sie sich auf Grund ihres Namens auch ohne weiteres erlauben konnte.
Hier und jetzt allerdings begrüßte sie diese alten Sitten und Gebräuche und setzte sich schließlich wieder auf ihr Pferd.
Ehe sie los ritt, betupfte sie noch rasch ihre Handgelenke und den Hals mit etwas Jasminöl und lachte leise. Wann hatte sie sich das letzte Mal auf diese Weise hergerichtet? Sie konnte sich nicht erinnern.
In Fallacon war dafür jedenfalls kein Platz.
Als sie ihr Pferd wieder antrieb, um in Richtung der Stadt zu reiten, lächelte sie zufrieden. Al’Bajaar würde in dieser Nacht in tausenden kleinen Flammen brennen. Eine der Töchter des Sultans sollte heiraten und die Stadt verwandelte sich zu solchen Anlässen in ein einziges, großes Fest, von den großen Plätzen bis hinab in die engsten Gassen.
Sie hatte es bereits erlebt, hatte die zahllosen Lichter gesehen und tausend und abertausend Blumen, die auf den Straßen verstreut lagen. Sie hatte den Duft von gutem Essen und dunklem Wein gerochen, der durch alle Straßen verströmt wurde, Tanz, Musik und all die liebenswerten, besonderen Bräuche, die diesen Ort ausmachten.
Ob er sie kannte?
Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Vermutlich würde sie ihm das ein oder andere erklären müssen.
‚Diese Nacht soll frei sein von Sorge und Schmerz, mein Sturmwolf – diese Nacht gehört nur uns und unseren Träumen unter dem Wüstenmond‘, dachte sie im Stillen für sich und trieb ihr Pferd zu einem rascheren Schritt, um so bald wie möglich die Stadt zu erreichen.
Alkanas war lange vor ihr in der Stadt und es dämmerte bereits.
Er hastete in das kleine Gasthaus hinter dem Basar nah des Tempels, wo er immer noch ein Zimmer hatte.
Die geschmückten Straßen mit ihren Lichtern und Laternen, waren ihm auf dem Weg hierher nur flüchtig aufgefallen. Überall waren Blumen und die ganze Stadt leuchtete bunt, wie ein Meer aus schimmernden Edelsteinen.
Er betrat die kleine Kammer und schloss leise die Tür. Ein Fest wie dieses hatte er noch nicht erlebt. Es war ihm fremd, so, wie auch die Menschen dieser Stadt mit ihren Traditionen, ihrer Kleidung und ihren Bräuchen.
Was trug man wohl zu so einem Anlass?
Er ging zum Fenster und beobachtete eine Weile das Treiben auf der Straße und die Menschen, die dort bereits feierten. Es fiel ihm auf, dass einige von ihnen mit Edelsteinen besetzte Masken trugen. Er grinste und wandte sich ab, um eine Truhe unter dem einfachen Bett hervorzuziehen.
„Ich werde wohl auffallen“, lachte er.
Als er sich fertig umgezogen hatte, trug er seine braunen Lederstiefel, eine einfache, braune Hose, die er, wie er es immer tat, mit grünen Bändern an den Beinen zusammenband, wie es bei ihm zuhause Brauch war. Dazu trug er ein schlichtes, dunkelgrünes Hemd und eine Weste aus Leder.
Festlicheres besaß er nicht.
Er warf sich ein Wolfsfell über die Schulter und steckte sein Jagdmesser in den rechten Stiefel, wie er es immer tat.
Zum Schluss nahm er eine Maske in die Hand und betrachtete sie. Es war die Schädelmaske, die er auch im Kampf trug, bemalt mit uralten Symbolen.
Er nickte, öffnete sein Haar und setzte die Maske auf, legte die bronzenen Armbänder an, welche ihm nach seiner zweiten Jagd geschenkt worden waren und dazu einen bronzenen Halsring.
Zufrieden grinste er und murmelte leise für sich:
„Dann zeigen wir ihnen mal, wie man im Sturmwald feiert.“
Laut lachend stieg er die schmale Treppe des Gasthauses hinab und trat auf die Straße. Einige Leute starrten ihn ungläubig an, andere wiederum schienen fasziniert von der Art seines Aussehens.
Ihm hingegen war das alles gleichgültig. Es zählte nur noch eines: Er musste zum Südtor. Rasch suchten seine Schritte den Weg auf die andere Seite des Basars, als ihm auffiel, dass ihm jemand folgte.
Er kannte sich in dieser Stadt nicht so gut aus, wie die Einheimischen, aber seine Instinkte funktionierten hier so gut wie überall.
Rasch lief er durch die bunt geschmückten Gassen, in denen es vor Menschen nur so wimmelte. Alkanas runzelte die Stirn. Das Treiben erinnerte ihn an einen Bienenstock und er begann sich zu fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, mit Shadia in der Oase zu bleiben. Doch für Gedanken dieser Art blieb kein Raum, denn zuerst musste er seine Verfolger loswerden.
Zielsicher folgte er dem Weg genau auf die Tempelgärten zu, welche noch prächtiger erschienen, als in den Tagen zuvor. Goldenes Licht zahlloser Lampions brach sich in Edelsteinen und fing sich in zahllosen Blütenblättern, die kristallenen Fenster des Tempels wurden von innen heraus vom warmen Schein der Kerzen erleuchtet und alles wirkte freundlich und friedlich. Er wusste hingegen, dass es anders war.
Mittlerweile war er sich sicher, dass es zwei Männer waren, die ihm folgten und mit einigen raschen Schritten bog er in einen ruhigeren Teil der Gärten ein, in dem große Blumenbäume etwas Sichtschutz gewährten.
Nur wenige Augenblicke vergingen, da hatten seine Verfolger ihn auch schon erreicht. Alkanas sah mit schmalen Augen zu ihnen wie ein Tier, das auf den Kampf wartet, in der Hand das Jagdmesser, das er aus seinem Stiefel gezogen hatte.
‚Nutze deine Umgebung‘ hörte er sich selbst zu den jungen Jägern in seiner Heimat sprechen.
Die beiden Männer waren kleiner als er und dunkel gekleidet in die Tracht der Einheimischen. Ihre
Gesichter waren hinter Tüchern verborgen und in ihren Händen hielten sie Messer mit gebogenen Klingen. An der Form und Farbe ihrer Augen jedoch konnte man erkennen, dass sie nicht von hier waren und auch, was sie sich zuriefen, klang nicht nach der Sprache, die man in Osarien sprach. Langsam kamen sie auf ihn zu, als Alkanas auch schon sprang und unter dem Hieb des ersten hindurch tauchte. Der zweite Schlag traf ihn zwischen den Rippen, doch der Schmerz war erträglich. ‚Nur ein Kratzer‘, dachte er sich, sprang mit einer Drehung in der Luft und tauchte vor dem größeren der beiden Männer auf, packte seinen Kopf und drehte ihn mit aller Kraft zur Seite, bis ein lautes Knacken zu hören war und der Körper leblos aus seinen Händen glitt.
Der andere Angreifer ließ sich davon nicht beirren und setzte zum Sprung an. Alkanas wich rasch zur Seite aus, sah, dass er in eine Finte lief und spürte den Tritt, den sein Gegner ihm versetzte. Er strauchelte, verlor aber nicht das Gleichgewicht, wand sich um, griff nach seinem Gegner und rammte ihm mit einer fließenden Bewegung das Jagdmesser ins Auge. Im gleichen Moment spürte er aber auch die Klinge seines Gegenübers tief in seiner Flanke und fluchte leise.
Als der Mann leblos und mit blutüberströmtem Gesicht zusammensackte, griff Alkanas an seine Seite und zog die Klinge heraus um sie achtlos fallen zu lassen.
Er riss ein Stück Stoff aus seiner Tunika und presste es auf die Wunde, damit die Blutung aufhören würde. Dann schloss er die Weste darüber, dass man nicht sehen konnte, was ihm widerfahren war. Ohne einen Blick zurück, ging er wieder in die lichten Gärten und wusch an einem der Brunnen seine Hände und sein Gesicht sauber von Blut und Schmutz, dann machte er sich auf den Weg zum Südtor. Er hatte schon schlimmere Verletzungen überstanden und diese würden nicht den Abend zerstören, den Shadia sich gewünscht hatte.
Noch im Gehen griff er in seine Gürteltasche und zog ein Stück Wurzel heraus, auf dem er kaute und das ihm Kraft geben sollte. Mehr würde er nicht brauchen, da war er sich sicher.
Am Südtor angekommen suchte er nach ihr, was ihm nicht schwer fiel, da er die meisten Menschen in dieser Stadt um einen Kopf überragte.
Doch er konnte sie nirgendwo entdecken. Nur der leichte Geruch nach Jasmin verriet ihm, dass sie in der Nähe sein musste.
„Shadia?“, raunte er.
Dann musste er husten und wischte sich über den Mund. An seiner Hand sah er Blut.
Lauriel hatte das Südtor erreicht und hatte sich auf den Straßen umgesehen. Ihn konnte sie noch nicht entdecken, so beobachtete sie das Treiben der Menschen auf den Straßen. Alles war bunt und schillernd, die Stimmung ausgelassen und fröhlich. Aber wo war er? Sie glaubte ihn zu spüren, so schloss sie die Augen und begann sich an den Klang seiner Seele zu erinnern.
Langsam, ganz langsam blendete sie alle anderen Klänge rund um sich herum aus und lauschte nur noch diesem einen Lied, von dem ein Teil in ihrer eigenen Seele klang, seit sie die Blume von ihm erhalten hatte.
Diesem Klang folgend drehte sie sich um und als sie die Augen wieder öffnete, sah sie ihn, gelehnt an eine Säule und leicht gekrümmt.
In dem Lied seiner Seele stimmte etwas nicht.
Wie oft hatte sie dies bei ihren Kampfgefährten erlebt und wie oft hatte sie sie auf diese Weise geheilt? Jede Verletzung ließ Missklänge und Dissonanzen im Seelenlied eines Lebewesens erklingen und mit einem Mal spürte sie, wie nackte Angst sich in ihr Herz fraß.
Schnell lief sie zwischen den Leuten hindurch zu ihm.
„Was ist passiert?“
Er hob den Kopf und streckte sich, kaum, dass er ihre Stimme vernommen hatte. Er wischte sich rasch noch einmal über den Mund und hob beruhigend die Hand.
„Es ist alles gut – ich habe dich nur nicht gleich gefunden.“
Sie spürte die Lüge. Der Goldene selbst war es, der ihr die Gabe gegeben hatte, Lüge und Wahrheit voneinander zu unterscheiden und ihre Lippen pressten sich aufeinander. Warum war er nicht ehrlich zu ihr?
Alkanas hingegen musterte sie irritiert und nutzte die Gelegenheit, um das Thema zu wechseln.
„Warum verdeckst du dein Gesicht?“
Sie sah in seine Augen und schwieg eine Weile lang, spürend, wie der Glanz und die Freude, die sie erfüllt hatten mit jedem Augenblick schwanden und der Bereitschaft Platz machten, Handeln zu können, wenn es notwendig war.
Doch in diesem Augenblick, waren ihr die Hände gebunden.
Wenn sie ihm sagte, dass sie wusste, dass etwas mit ihm nicht stimmte, obgleich er das Gegenteil behauptete, würde er Fragen stellen, die sie ihm nicht beantworten wollte.
So schloss sie kurz die Augen und murmelte leise:
„Hier in Osarien ist es so Brauch. Eine Frau verhüllt ihr Antlitz, welches sie nur jenem Mann zeigt, der ihr Herz erobert hat. Es gilt als ein Beweis ihrer vollkommenen Liebe.“
Sie hatte den Blick gesenkt und versuchte, die Missklänge in seinem Seelenlied zu deuten. Er blutete – dessen war sie sich sicher, aber mehr konnte sie auf diese Weise nicht erspüren, nur eine eigenartige Dunkelheit, die ihr vertraut schien und doch völlig falsch in seinem Lied erklang. „Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, sprach sie leise, fast vorsichtig, als sie seinem Blick wieder begegnete.
Innerlich fluchte sie.
Sie hatte ihm die Schönheit der rauschenden osarischen Feste zeigen wollen, eine Nacht unter den
Sternen Al’Bajaars, gehüllt in all die Bräche und Traditionen dieses Landes auf einem Fest, das an Schönheit und Ideenreichtum seinesgleichen suchte. Es hatte eine unvergessliche Nacht sein sollen in den wenigen Tagen und Nächten, die ihnen überhaupt blieben, gemessen an der Ewigkeit, die ihnen, getrennt voneinander, bevorstand. Das hätte ihr Geschenk an ihn sein sollen.
Doch nun standen sie hier und sie wünschte sich nichts mehr, als wieder mit ihm im warmen Sand der Oase zu liegen.
„Mach dir keine Sorgen, nyota yangu, es geht mir gut.“
Sie hörte, wie er versuchte, seine Stimme sorglos klingen zu lassen und biss sich auf die Lippe.
Warum tat er das?
Doch noch ehe sie den Gedanken zu Ende gedacht hatte, wurde ihr Blick von etwas abgelenkt, was sie augenblicklich in Alarmbereitschaft versetzte.
Männer in schlichter, schwarzer Kleidung mit Turban und verhülltem Gesicht, sowie einem silbernen Halbmond auf der Stirn, bewegten sich geschmeidig durch die Masse der Feiernden. An ihren Seiten blitzten Krummsäbel. Die Nashagar des Sultans.
Ihr Auftauchen verhieß nichts Gutes und bestätigte sie in der Ahnung, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste.
Rasch sah sie zu ihm zurück und musterte ihn von oben bis unten.
Er hätte auffälliger nicht sein können. Ganz egal wonach die Nashagar suchten – er würde nicht lange verschont bleiben, allein auf Grund seiner Andersartigkeit, die in Osarien schnell als verdächtig galt, sobald etwas geschah, was sich gegen das Gesetz bewegte.
„Wir.. sollten die Stadt so schnell wie möglich verlassen.“
Sie sah zu ihm hoch und der Glanz der Vorfreude, die Unbefangenheit und die gespannte Erwartung – all das war aus ihrem Blick gewichen und hatte tiefer Sorge und Wachsamkeit Raum gemacht. „Bitte, lass uns gehen. Du bist hier nicht sicher.“ Es schien, als habe er ihr kaum zugehört.
Sie zog seinen Kopf zu sich, betrachtete die Maske, die ihr eine Gänsehaut über den Körper jagte, da sie ihn damit nur von den Schlachtfeldern kannte und mit vorsichtigen Bewegungen, nahm sie sie ihm ab. Tief sah sie in seine Augen, die sich zu engen Schlitzen geformt hatten. Er schwitzte, wirkte, wie ein in die Enge getriebenes Tier.
„Was hast du gesagt?“, murmelte er, versuchend, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. „Ich sagte, dass wir gehen müssen – jetzt!“ Er sah sie an und lächelte müde. Dann nickte er.
„Ist gut, Shadia. Ich werde nur schnell ins Gasthaus gehen und ein paar Dinge holen, die ich brauche.“ Lauriel starrte ihn an, als habe er ihr ins Gesicht geschlagen und sie spürte mit einem mal das vertraute Gefühl von Wut und Ungeduld in sich aufsteigen.
„Nein!“
Ihre Stimme klang um einiges härter, als er es von ihr gewohnt war.
Überrascht hoben sich seine Brauen und er musterte sie fragend.
Lauriel drängte den Sturm aus Gefühlen mit aller Mühe zurück und sah ihn an, strich über seine Wange und brachte ihre Lippen dicht vor sein Ohr.
„Nicht weit hinter uns sind die Nashagar des Sultans und du fällst auf wie ein wilder Ork in Altenstern. Also bitte – bitte, mein Sturmwolf, geh nach Westen zu den Höhlen und warte da auf mich. Ich besorge alles, was wir brauchen, um dort die Nacht zu verbringen.“
Er sog tief ihren Duft ein und atmete eine Weile tief und so ruhig, wie es ihm möglich war.
„Warum kommst du nicht mit mir?“
Sie brachte ihr Gesicht nun vor das seine, nahm den Schleier ab und lächelte.
„Ich werde uns Essen, Wein und Decken besorgen. Dann reiten wir morgen in aller Ruhe zurück.“ Es war nicht gelogen, es war nur nicht die ganze Wahrheit.
Sie wusste, dass das, was immer geschehen war, bereits bis zum Sultan vorgedrungen war und darum würde sie sich kümmern müssen.
Sanft zog sie ihn mit sich bis zum Tor und drückte seine Hand. „Warte an den Höhlen. Ich bin so schnell bei dir, wie ich kann.“ Liebevoll sah er zu ihr hinab.
„Du bist wunderschön, Mwanga wa nyota. Wie könnte ich nicht auf dich warten.“ Sein ganzer Körper schmerzte und er verstand es nicht.
Unter anderen Umständen hätte er sich dagegen gewehrt, sie alleine hier zurück zu lassen, doch er wollte seine Wunden versorgen, damit sie keine Sorgen haben musste.
Sanft küsste er sie, dann stieg er auf sein Pferd und ritt in Richtung Westen, ohne sich noch einmal umzusehen.
Lauriels Blick folgte ihm so lange, bis die Dunkelheit, die längst über die Wüste gekommen war, ihn verschluckt hatte.
Dann leckte sie sich über ihre Lippen und schmeckte Blut. Sein Blut.