Kapitel 11 – Licht und Schatten
Layna saß in der noch ausreichend wärmenden Abendsonne vor dem Tor des Tempels von Elitawana auf einem Vorsprung und bestickte ein Tuch mit einem komplexen Muster silbriger, grauer und cremefarbener Seide. Keiner sprach sie an oder näherte sich ihr. Jeder im Tempel wusste, dass sie nur dann stickte, wenn ihre Gedanken, Bilder und Visionen sie derartig quälten, dass sie etwas brauchte, worauf sie sich fokussieren konnte. Eigentlich – so hatte sie oft genug beteuert – hasste sie Sticken.
Wieder und wieder durchstach die Nadel das Tuch und Stich um Stich formte sich das Muster, zeigte neue Linien und Verknüpfungen.
Feine Schweißperlen standen ihr auf der Stirn und ihr Blick war angestrengt. Da zuckte sie plötzlich zusammen, als habe sie sich in den Finger gestochen und ihr Blick wandte sich nach Süden in Richtung Osarien.
„Nein.. das hat sie nicht..“ Unglaube lag in ihren Zügen.
In einiger Entfernung stand Siliras, der Priester des Grünen Drachen mit seinen drei Akolyten und gebot mit einem mal allen dreien, zu schweigen, obgleich sie sich nur in sehr gedämpfter Lautstärke unterhalten hatten. Sorgenvoll betrachtete er Laynas Gesicht und schien zu versuchen, ihre Gedanken zu erraten.
Layna hingegen nahm ihn nicht wahr. Ihr Blick heftete am Horizont und ihre Lippen wurden trocken. „Das Sterbliche darf nicht zur Unsterblichkeit gelangen..“, murmelte sie.. „ ... das tiefste Dunkel wird es wittern und sich zu eigen machen..“. Nun spiegelte sich in ihren Augen eine uralte Ahnung, eine Erinnerung, die nicht ihre war. Tief in sich, eingebrannt wie eine Mahnung, sah sie etwas, das so böse und vernichtend war, dass die Welt es vergessen hatte. Doch es war irgendwo. Und es wartete.
Lauriel wusste nicht, wie lange sie dort gekniet hatte. Ihre Augen und Wangen brannten und sie fühlte sich müde und leer. Was hatte sie nur getan?
Jetzt, wo sein Leben außer Gefahr war und sie klarer denken konnte, wurde ihr die Tragweite ihres
Handelns erst wirklich bewusst. So tief die Verzweiflung sie zerrissen hatte, all die Träume und Hoffnungen, Gedanken und Gefühle, als sie die Laternen am nächtlichen Himmel davonschweben sah, so ernüchtert war sie nach der Flut an Tränen, die sich die Bahn gebrochen hatten.
Sie hatte einen Teil ihrer unsterblichen Seele einer sterblichen Seele eingeflochten.
Lauriel schluckte trocken.
Langsam erhob sie sich und trat leise in die Höhle, um den schlafenden Mann zu betrachten, der ihr Stück für Stück den Verstand zu rauben schien.
Sie ließ sich neben ihm auf den Knien nieder und versuchte anhand seiner Gesichtszüge zu erraten, was er gerade träumte. Er wirkte entspannt, friedlich auf eine gewisse Weise und doch ging sein Atem für einen Schlafenden etwas zu rasch.
War es die Folge der Verletzung? Hatte er Albträume? Die Entspannung wich langsam, machte Raum für etwas anderes. Seine Lippen waren geöffnet und er schien etwas im Traum zu sagen.
Kaum merklich berührte Lauriel seine Hand und schloss die Augen. Es fiel ihr nicht schwer, den Weg in seinen Traum zu finden und..
.. rasch zog sie ihre Hand zurück und schluckte. Sie erhob sich und hastete zum Höhleneingang wo sie die eisige Nachtluft auf ihren Zügen dankbar begrüßte. Mit diesen Bildern hatte sie nicht gerechnet und sie konnte sie auch nicht einfach wieder loswerden.
Sie spürte, wie ihr eigener Atem rascher ging und konzentrierte sich. Es würde diese Art von Nähe zwischen ihnen beiden nicht geben. Wütend stieß sie mit der Zehenspitze einen Stein über einen Felsvorsprung und ihr Blick funkelte in die Nacht hinaus.
Was war aus ihr geworden in diesem Land? Wo war die Frau, die sie immer gewesen war? Wo war ihre Stärke und Unabhängigkeit? Wie konnte es sein, dass die Traumbilder eines Mannes sie so sehr aus der Fassung brachten?
Ihre Lippen wurden schmal. Mit einem Mal erfüllte sie ein unendlicher Tatendrang. Irgendetwas – sie musste sich ablenken, etwas tun, die Bilder wieder aus ihren Gedanken vertreiben, ehe sie ihre Mühsam errichteten Grenzen einreißen ließ.
Entschlossen hastete sie zu ihrem Pferd und zog ein einfaches, beigebraunes Reisegewand aus einer der Taschen. Sie hatte genug von schimmernden Edelsteinen und funkelnden Träumen, genug von all den Gefühlen, die sie aushöhlten.
Sie stopfte das kostbar bestickte Seidenkleid, das vom Blut des Jägers klebte, achtlos in eine der Satteltaschen und schlüpfte in die schlichten Leinenkleider. Dann machte sie sich auf den Weg, zurück in die Stadt.
Ihr Pferd und all ihre Habseligkeiten ließ sie zurück.
Ein Teil von ihr wollte fliehen, fort von dem, was hier mit ihr geschah, von der Verletzbarkeit, die sie hier spürte und von der Unberechenbarkeit des Schicksals. Der andere Teil von ihr wollte gleich auf dem Absatz umdrehen, sich in die Höhle zurückschleichen und sich zu ihm legen, seine Wärme spüren, seine Haut und.. Lauriel schüttelte sich.
Die Stadt würde ihre Gedanken klären und wenn sie dann immer noch das Land verlassen wollte, würde sie ihr geliebtes Pferd und ihre Habseligkeiten zurücklassen.
Ihre Schritte waren rasch und schließlich begann sie das letzte Stück bis zur Stadtmauer zu laufen. Die Tore waren, wie immer um diese späte Stunde, lange nach Mitternacht, verschlossen und die Wachen fragten: „Wer da?“
Lauriel atmete einmal tief ein und wieder aus, eine heilsame Wut war tief in ihrem Inneren entbrannt. Sie ging langsam auf die Wachen zu und in ihren Augen begann sich rotes Feuer zu spiegeln.
„Lauriel, Heerführerin des Roten, Shadia des Sultans, …“
Weiter kam sie nicht. Die Wachen hatten das Tor bereits geöffnet und neigten den Kopf als sie an ihnen vorbei in die Stadt ging.
Es war schon spät und die Stadt um so vieles ruhiger als am Tage. Doch still war es nicht. Immer noch wurde in einzelnen Gruppen gefeiert auf den Plätzen. Lagerfeuer waren entzündet, Musik erklang leise und Stimmen mischten sich, erzählend von den aufregenden Ereignissen des Tages. Aus den Teehäusern hörte man Gesang und Stimmen und es gab auch um diese Zeit immer noch einzelne Händler, in deren Fenstern Licht brannte. Die Farbe und Anzahl der Lichter in den Fenstern waren ein verschlüsselter Hinweis darauf, was es dort zu kaufen gab. Seien es Tränke, die den Geist beflügelten, Gifte, Kräuter oder auch einfach das Vergnügen eines schönen Körpers.
Lauriel ließ all dies ungeachtet hinter sich.
Sie wusste, wohin sie gehen wollte und so lenkten ihre Schritte sie in einen Teil der Stadt, den sie mit Alkanas nicht besucht hatte.
Die Soldatenunterkünfte waren weniger prächtig, als viele andere Teile der Stadt. Hier war Pragmatismus wichtiger als Prunk. Verglichen jedoch mit den Unterkünften fallaconischer Krieger, glichen die Gebäude und Gärten einem kleinen Palast.
Lauriel schmunzelte.
Genau das war es, was sie gerade brauchte. Am Rande der Unterkünfte gab es mehrere Tavernen.
Den Einwohnern Al’Bajaars waren sie nicht zugänglich. Sie war ausschließlich für die Soldaten des Sultans gedacht. Die Unterkünfte bildeten ein Dreieck vom Palast ausgehend bis zur Stadtmauer, wie ein eigener Stadtteil. Wohnbereiche, Ställe, Übungsplätze, Arenen – all das gab es hier. Je höher man im Rang aufgestiegen war, desto näher lebte man am Palast und desto prunkvoller war die Ausstattung. Lauriel hingegen hatte eine Taverne nahe der Stadtmauer aufgesucht.
Hier aßen, tranken und feierten die Soldaten, wenn es ihnen erlaubt war.
Von drinnen klang Lachen und Musik.
Sie nickte leicht und ging auf die Eingangstür zu. Zwei Männer standen davor. Noch während sie sich ihnen näherte, fuhr sich Lauriel durch die wild um ihren Kopf hängenden Haare und zwängte sie in einen unordentlichen Knoten.
„Wer da?“
Wieder die Frage. Wieder Feuer in ihren Augen, doch diesmal musste Lauriel nicht antworten.
Der andere Mann raunte dem ersten zu: „Sie darf rein.“
Und an Lauriel gewandt nickte er leicht mit dem Kopf: „Lauriel, schön euch zu sehen.“
Ein Stich traf sie unerwartet. Wäre sie in dieser Nacht vielleicht erkannt worden, wenn sie das Fest besucht hätten? Sie hätte nur einmal den Schleier von ihrem Gesicht nehmen müssen um etwas zu essen oder zu trinken. Doch sie wischte den Gedanken fort und betrat den Raum.
Es roch nach süßem Shisha-Tabak, nach schwerem Wein, würzigem Bier und geräuchertem Fleisch. Lauriel ließ sich auf einen Stuhl fallen und beobachtete die Soldaten, die die Feierlichkeiten des Tages nachhallen ließen.
Sicherlich hatte es jede Menge Wein, Bier und Speisen gegeben an diesem besonderen Tag und alle wirkten ausgelassen und fröhlich.
Ob sie ahnten, wie nahe sie einem Krieg mit Fallacon gestanden hatten?
Ein junger Mann, klein, etwas schmächtig in einer Pumphose aus Leinen und einer einfachen Weste hastete zu ihr und fragte sie, was sie trinken wolle.
Lauriel kaute einen Augenblick auf ihrer Unterlippe und bestellte schließlich Aljema, dazu etwas Schinken und Brot. Sie merkte, dass sie Hunger hatte und versuchte, sich daran zu erinnern, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte.
Als beides vor sie gestellt wurde, trank sie zunächst einen tiefen Schluck aus dem Krug. Aljema war ein Getränk, das aus Buttermilch und einer Art Schnaps gemischt wurde, der aus Kräutern gebrannt war. Es war herb und etwas bitter und genau das, was sie gerade wollte.
Kauend auf einem Stück Fleisch lehnte sie sich zurück und beobachtete die Männer und Frauen, alle gut trainiert und ernst zu nehmende Gegner im Kampf.
Sie war gerne hier, da die Soldaten zwar dem Sultan und damit dem goldenen Drachen folgten, dem Roten aber durchaus Tribut zollten, denn er war der Drache des Kampfes und des Krieges. Immer wieder sah sie hier oder da die Menschen die Köpfe zusammenstecken und zu ihr herüber schielen, aber mehr geschah nicht. Man ließ sie in Ruhe und sie war dankbar dafür.
Wie sollte es nun weitergehen?
Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, sobald sie versuchte, eine Lösung für ihre Situation zu finden.
Rasch leerte sie den Krug und bestellte noch einen.
Es war einer der wenigen Augenblicke in ihrem bisherigen Leben, in denen sie sich wünschte, dass Alkohol bei ihr die gleiche berauschende Wirkung hätte, wie bei Menschen. Eine Nacht lang alles vergessen – ein wundervoller Gedanken.
Aber es geschah nicht mehr, als dass sie ein leichtes Schwirren im Kopf bemerkte.
Sie seufzte.
Vernünftig wäre gewesen, zu gehen und das nächste Schiff nach Rilphajen zu nehmen.
Wie tief hatte all das, was hier in der Wüste geschehen war, ihren Verstand bereits verklärt, dass sie einen Teil ihrer Seele mit der eines Sterblichen verknüpft hatte.
Ja, sein Leben währte weit länger als das eines Menschen, er war ein König des Grünen Drachen. Wer weiß, was dieser für seine Könige für Wege vorgesehen hatte, doch unsterblich war seine Seele nicht.
Bis heute Nacht.
Sie stieß die Luft langsam zwischen den Zähnen aus und schloss die Augen.
Ihre Gedanken wanderten zur Höhle und zu dem Mann, der dort schlief. Wieder tauchten die Bilder vor ihrem geistigen Auge auf, die sie in seinem Traum gesehen hatte. Es hatte so greifbar gewirkt. Für einen Moment, glaubte sie, ihn riechen zu können, seine Haut zu spüren, seinen Blick, der jedes Versprechen fortwischte, das er ihr gegeben hatte.
Rasch öffnete sie die Augen wieder.
Noch ein Krug Aljema.
Wie gerne hätte sie sich einfach betrunken. Sie wollte vergessen – alles, was gerade durch ihren Kopf brannte einfach für eine Nacht ertränken. Es blieb ihr verwehrt.
Langsam gingen die Kämpfer in ihre Quartiere, einer nach dem anderen.
Am längsten hielt sich eine Gruppe, die die halbe Nacht mit Würfelspielen verbracht hatte und sich davon offensichtlich nicht losreißen konnte oder wollte.
Es war beruhigend, das wiederkehrende Klappern der Würfel auf dem Holztisch.
Lauriel war nicht müde. Sie war es gewohnt, mehrere Nächte nicht zu schlafen, wenn es sein musste und ein Blick durch das ihr am nächsten gelegene Fenster zeigte ihr, dass der Tag sich näherte.
Der Himmel hatte sich grau gefärbt und sie erhob sich, zahlte und verließ die Taverne.
Wut glomm in ihr.
Die Frage, die seit siebzehn Jahren schmerzhaft in ihr brannte, zerriss sie heute mehr als an jedem anderen Tag zuvor.
Warum war der Rote Drache, ihr Gefährte, einfach verschwunden?
Wie schon zahllose Male in den Jahren zuvor überlegte sie, ob es irgendetwas gegeben haben könnte, womit sie ihn verärgert hatte, aber sie fand nichts.
Sie war sein gewesen, lange, ehe sie ihn das erste Mal sah und umso mehr, als er sich ihr zu erkennen gab. Das, was sie teilten, war an jedem neuen Tag ein Geschenk für sie gewesen, im letzten, wie auch in diesem Zeitalter. Und dann war Stille eingekehrt. In den ersten Jahren hatte sie geduldig gewartet. Drachen hatten ein anderes Verständnis von Zeit und sie hatte so viel Zeit, wie sie wollte. Doch irgendwann war die Geduld gewichen und hatte Raum gemacht – erst für Fragen, dann für Zweifel. So oft hatte sie nach ihm gerufen. So oft war sie durch die Wälder Fallacons gestreift, bis zur Küste und hatte seinen Namen in die Nacht geschrien. Doch der Himmel war dunkel geblieben. Mehr denn je spürte Lauriel in diesem Moment den Schmerz des Wartens, Hoffens und Zweifelns. Und sie spürte den Wunsch, für jemanden mehr zu sein, als die Heerführerin, die Rote Harfe oder welchen Titel auch immer man ihr gegeben hatte.
An Alkanas Seite erfüllte sich dieser Wunsch und doch..
Sie schnaubte und fasste sich an die Stirn.
Wie konnten Gedanken sich nur so unendlich im Kreis drehen? Wie hielten Menschen es aus, wenn sie sich in ihren endlosen Geschichten aus Liebe und Schmerz verstrickten?
Sie hastete in Richtung des Stadttores. Es hatte so oder so keinen Sinn.
Vor der Stadt war vermutlich immer noch sein Pferd angebunden. Sie würde es nehmen und zum Hafen reiten, ohne anzuhalten und vergessen, was hier mitten in der Wüste geschehen war.
Ihre Schritte führten sie über einen der Marktplätze, wo die Händler bereits ihre Stände eröffneten und die ersten Menschen schon ihre Einkäufe tätigten. Lauriel lächelte grimmig. Es war typisch für diese Stadt. Sie schlief beinahe nie und nirgendwo begann das Geschäftsleben bereits mit den ersten Sonnenstrahlen – nur hier.
Sie ging rasch, sah sich wenig um und doch blieb ihr Blick plötzlich an einem Stand hängen und sie blieb abrupt stehen.
Dort hing eine Tunika aus grüner Seide, schlicht, nur am Halsausschnitt und an den Ärmeln waren einige Blätter eingestickt und mit winzigen Achatsplittern verziert.
Ihre Gedanken wanderten zu ihm und wie er dort in der Höhle lag als sie gegangen war. Er hatte seine Tunika zerrissen, um einen Verband für seine schweren Verletzungen zu improvisieren. Wenn er in die Stadt zurückkehren wollte, musste er dies halbbekleidet oder in Frauenkleidern aus ihren Satteltaschen tun.
Wieder traf sie ein tiefer Stich ins Herz.
Was würde geschehen, wenn er erwachte und sie war fort? Vermutlich würde er warten, weil er ihr vertraute, dass sie wiederkäme – wer weiß, wie lange. Und dann? Irgendwann würde er realisieren, dass sie nicht zurückkäme. Vielleicht würde er sich auch sorgen, dass ihr etwas passiert wäre, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass sie ihn einfach verlassen hatte.
Sie sah seine Züge vor sich, sah, wie sich Hoffnung in Sorge und Sorge in Schmerz verwandelte und die Kehle wurde ihr eng. Der Gedanke erschien ihr unerträglich.
„Gefällt sie euch?“
Lauriel zuckte zusammen. So tief in Gedanken versunken hatte sie nicht bemerkt, dass der Verkäufer sich ihr genähert hatte.
„Ehm..“.. sie schluckte und versuchte sich zu sortieren. Verflogen waren Zorn, Zuversicht und Härte. In ihren Gedanken brannte das Bild seines Gesichts in all den Facetten der Gefühle, mit denen sie ihn hatte zurücklassen wollen.
„Ich nehme die Tunika.. und den Korb dort.“
Ihre Stimme war leise. Ein Teil von ihr gab sich geschlagen.
Mit überschwänglicher Freundlichkeit überreichte der Verkäufer ihr beides und war überrascht, als sie nicht bereit war, zu feilschen sondern ihm einfach den verlangten Betrag in die Hand drückte.
Lauriel sah sich um. Alles schien ihr mit einem mal fremd, blass und unwirklich zu sein.
Langsam ging sie von Stand zu Stand und erwarb Brot, Datteln, Rauchfleisch, Oliven, Gebäck, Käse und Nüsse.
Am Rande des Marktplatzes sah sie noch einmal zurück, als würde sie im langsam anwachsenden Menschengetümmel die Antwort auf all ihre Fragen finden.
Dann ging sie zum Südtor, vor dem noch immer das Pferd von Alkanas angebunden war und löste den Knoten.
Langsam ging sie, das Pferd führend anstatt es zu reiten, den Weg zu den Höhlen hinauf, wo Alkanas vermutlich noch schlief, nachdem er so schwer verletzt worden und seine Seele zu einem Teil unsterblich gemacht worden war.
Ein dunkler Schatten lag wie eine Ahnung auf Lauriels Blick, doch je näher sie der Höhle kam, desto deutlicher spielte ein Lächeln um ihre Lippen.
Layna hatte sich in die Bibliothek in Elitawana zurückgezogen und studierte die ältesten Schriftrollen, die dort zu finden waren. Überlieferungen aus dem jungen ersten Zeitalter, Geschichten über schattenhafte Krieger, schwarz verhüllt mit rotem Tuch über dem Gesicht.
Sie las von gnadenlosen Kämpfen, zahllosen Toten und unendlichem Schmerz. Aus vielen Ländern gab es Hinweise auf diese Ereignisse, doch niemand sprach heute mehr davon. Aber warum? Und in all den Schriften, die sie fand, schien es, als seien Teile entfernt worden? Es fehlte ein Zusammenhang.
Doch in ihren Visionen sah sie einen Schatten, der dunkler war, als alles, was sie bisher je hatte ahnen können.
Ein Symbol fand sich auf einer der Schriften, welches sie noch nie zuvor wahrgenommen hatte – und welches sie auch nicht zuordnen konnte. Ineinander greifende Linien und Punkte, die für sie keinen Sinn ergaben.
Wieder wandte sie den Blick nach Süden, diesmal durch eines der Fenster und leise flüsterte sie: „Du bist nicht die einzige Schachfigur in diesem Spiel.“
11 - Im Spiegel des Zorns
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- Written by: Super User
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